Sarah Liegmann – aus der Ringecke: Vom Fußballfieber gepackt

Bevor ich loslege: Ich freue mich sehr, dass du hier bist, um meine Kolumne zu lesen. Es wird chaotisch, lustig, aber hauptsächlich 100 Prozent echt. Ich werde von vielen Anekdoten und Erfahrungen aus dem Boxen berichten, aber dir auch spannende Insights in meinen alltäglichen Wahnsinn geben. Und jetzt heißt es: Ring frei!

Sarah Liegmann hat sich auch mit dem EM-Fußballfieber angesteckt. Die richtigen Accessoires – inklusive dem neuen EM-Trikot von Florian Wirtz – hat die Boxerin für die Spiele auf jeden Fall. (Foto: Privat)

Fußball-EM 2024 – Menschen kommen von überall zusammen, um gemeinsam die Nationalmannschaft des DFB bei ihren Spielen anzufeuern. Selbst „Nicht-Fans“ werden von dem Fußballfieber angesteckt und treffen sich mit anderen zum Public Viewing. Egal, wie stark man emotional mit dem Sport in Verbindung steht – man ist dabei. Die einen verfolgen die Mitglieder der Startelf seit sie klein sind. Den anderen sind Nachnamen wie Neuer, Müller und Kroos auch ohne Vorwissen, gezwungenermaßen durch große Werbekampagnen und die Medien, ein Begriff. Eine Plattform, von der Boxer heute nur träumen können – aber was hat sich verändert?

Am vergangenen Wochenende habe ich mich mit einem älteren Mann über den Boxsport unterhalten. Er war sehr interessiert, mehr von meinem Boxalltag zu erfahren. Selbst ist er mit Fußball aufgewachsen, lebt und liebt diesen Sport. Er sagte mir, dass er persönlich mit Boxen nicht warm werden könnte. Es wäre einfach nicht seins – muss ja auch nicht. Trotzdem fiel in unserem Gespräch mehrfach der Name „Ali“. Er erzählte mir, dass er mehrmals nachts aufgestanden ist, um Alis Kämpfe zu gucken. Ich musste schmunzeln, da ich genau das letztens noch von meiner Oma gehört hatte, die eigentlich bekennender Nicht-Sportfan ist. Ein ähnliches Szenario, wie gerade bei der Fußball-EM zu erkennen ist – Nicht-Fans verfolgen die Spiele.

Muhammad Ali gilt als zeitlose Legende. Blicken wir uns heute im Boxsport um, so könnten wir als Boxfans Namen wie Usyk und Fury nennen, ohne lange darüber nachzudenken – aber können das Nicht-Fans auch? Leider eher nicht. Können wir überhaupt noch von Legenden sprechen? Es gibt genug Athleten, die die Qualität haben und Leistungen zeigen, um als Legende Geschichte zu schreiben. Allerdings spielen hier auch die Medien eine große Rolle, denn sie entscheiden über den Ruf einer Person.

Medienüberfluss als Problem

Ich glaube, ein großes Problem liegt heute verglichen mit früher im Medienüberfluss. Die Leute, die es interessiert, können ganz einfach von ihren Lieblingssportlern Bilder liken und Trainingsvideos verfolgen. Alles und jeder kann uns in wenigen Klicks präsent sein. Es ist gar nicht mehr so einfach, mit besonderer Leistung herauszustechen. Zur Zeit von Ali war es etwas Besonderes, dass nachts überhaupt mehr als nur ein Testbild im Fernsehen gezeigt wurde. Und dann auch noch ein international live übertragener Boxkampf – logisch, dass hier selbst Nicht-Boxfans begeistert vor dem Fernseher saßen.

Auch damals schon hatte Fußball den höchsten Stellenwert in Deutschland. Ein Grund dafür ist, dass Fußball eine sehr zugängliche Sportart ist. Alles, was man braucht, sind ein Ball und ein bisschen Platz, um loszulegen. Fußball gehört auch zu jenen Sportarten, die von Menschen jeden Alters und Geschlechts gespielt werden kann, von Kindern auf dem Schulhof bis hin zu älteren Menschen. Da viele das Boxen mit Gewalt verbinden, ist es für viele unattraktiv. Gerade jetzt aber, in Bezug auf die EM, glaube ich, dass hier noch ein weiterer Faktor miteinfließt, der bei so vielen Menschen das Fußballfieber auslöst. Gemeinschaftsgefühl – Deutschland zeigt Flagge, zeigt Stolz und hat Rollenbilder, die dieses Wir-Gefühl verkörpern. Teamgeist spielt hier eine große Rolle.

Auch wenn meine Fußballkarriere genauso schnell wieder vorbei war, wie sie angefangen hatte: Ich lasse mich auch dieses Jahr wieder gerne von der Fußball-Welle mittreiben und feuere die deutsche Nationalmannschaft an! P.S.: Ich finde den Videoassistenten echt nervig. Ich hoffe, dass es im Boxsport niemals so weit kommen wird, oder was sagt ihr?

Sarah Liegmann

Sarah Liegmann wurde am 26. Januar 2002 in Bonn geboren. Die Federgewichtlerin boxt seit 2021 als Profi, trainiert und lebt in Deutschland und in den USA. Liegmann alias „The Princess“ ist amtierende WBC-Junioren-Championesse. Zudem sicherte sich die frühere Kickboxerin den WM-Gürtel des Verbandes WBF.

Webseite: princess-boxing.de
YouTube: Sarah Liegmann
Instagram: sarahliegmann
Facebook: sarah.liegmann