Die kunstvolle Seite des Boxens

Boxen und Kunst – zwei vermeintlich völlig verschiedene Welten. Dabei gehören Kunstwerke über Kämpfer und Kämpfe seit Jahrzehnten zum Boxen. Eine Ausstellung in Köln zeigt nun die großen Legenden des Sports.

Box-Kunst: Muhammad Ali vs. Joe Frazier, „The Fight of the Century“, 1971. Das Gemälde stammt von Richard T. Slone (2021). (Fotos: Deutsches Sport- und Olympia-Museum)

Richard T. Slone hat viele Boxer gemalt. Auch den Allergrößten, Muhammad Ali. Nach dessen erster Niederlage als Preisboxer 1971 gegen Joe Frazier schwang der Amerikaner den Pinsel. Das Bild, wie ein linker Haken Fraziers am Kinn der Schwergewichts-Legende explodiert, ist Geschichte. Boxgeschichte. Kunstgeschichte.

8. März. Das Datum für die Vernissage „Legenden im Ring: Box-Kunst, die umhaut“ im Deutschen Sport- und Olympia-Museum in Köln passte. Schließlich war Muhammad Ali eben just an diesem Tag vor 53 Jahren in New York auf die Bretter gegangen und erstmals zum Verlierer zwischen den Ringseilen degradiert worden. Gefällt von der Urgewalt Joe Fraziers. Auf alle Zeit festgehalten. Von Fotografen. Aber eben auch von Künstlern wie Slone, der die monumentale Szene mit Acryl auf die Leinwand brachte.

Als „The Fight“ wurde das Duell der legendären Rivalen Ali und Frazier damals beworben. Weil das 15-Runden-Spektakel so gut war, nannte man es danach „The Fight of the Century“ – Kampf des Jahrhunderts.

„Toll, wenn diese zwei Welten zusammenkommen“

Ein Jahrhundert Faustkampf und etwas mehr hängt seit Freitagabend in Köln an den Wänden. Ali und Frazier. Max Schmeling. Joe Louis. Mike Tyson. Aber auch moderne Gladiatoren wie Floyd Mayweather, Tyson Fury oder der mexikanische Superstar Saul „Canelo“ Alvarez. Zusammengetragen hat die Werke der Kunstsammler Ingo Wegerich.

Wegerich, ein Anwalt aus Frankfurt am Main, bezeichnet sich in Köln als „Liebhaber“; der Kunst und des Boxens. „Es ist doch toll, wenn diese zwei Welten zusammenkommen“, sagt er enthusiastisch, während sich rund 150 Interessierte um die Gemälde der Faustkämpfer versammeln. Die wenigsten von ihnen sind in beiden Welten zuhause.

Zum Boxen kam Ingo Wegerich während seines Jurastudiums in Hamburg, in den Neunzigern die Box-Hauptstadt Deutschlands. Der Geruch der Halle, der Kampf Mann gegen Mann. Als das habe ihn fasziniert, erzählt er. Später reiste Wegerich um die Welt, um große Kämpfe live zu verfolgen. 2008 traf er in Las Vegas den Künstler Richard T. Slone. Der Amerikaner malt seit Jahrzehnten Boxer, unter anderem für das Magazin „The Ring“, die „Bibel des Boxens“. 1971 waren es Ali und Frazier, 2017 bekam Slone den Auftrag, Gennadiy Golovkin und Canelo Alvarez vor deren Showdown in Las Vegas auf einer Leinwand abzubilden. Als die Mittelgewichtler in Las Vegas kämpften, war Wegerich wieder vor Ort – und beschloss, Slones Kunstwerk zu kaufen.

Was er dafür berappen musste? Darüber spricht der 54-Jährige nicht so genau. Der „Spiegel“ schreibt von einem niedrigen fünfstelligen, die „Welt“ von einem höheren fünfstelligen Betrag. Nun gut. Ingo Wegerich will selbst nicht im Mittelpunkt stehen, sondern den Werken der Künstler eine Bühne geben. „Ich möchte, dass das als Kunst akzeptiert wird“, sagt er.

Wegerichs Fieber war nach dem Kauf seines ersten „Slone“ entfacht. 100 Gemälde hat er inzwischen erworben. Einige davon dienten dem „Ring Magazine“ als Cover, etwa ein Bild von Max Schmeling nach dessen Sensationssieg über Joe Louis 1936, als der Deutsche im Schwergewicht plötzlich „The Man of The Hour“ war. Louis ist ebenfalls Teil von Wegerichs Sammlung. Ein Ring-Titel von 1937 zeigt den „Brown Bomber“ in Pose. Bereit zum Kampf gegen Schmeling, den die Nazis nach seinem Triumph zum Parade-Athlet der arischen Herrenrasse hochstilisiert hatten. Hinter Louis prangt ein US-Kampfflugzeug, am Boden detoniert eine Bombe. Das Duell Mann gegen Mann als Weltkriegs-Vorbote. 1938 schlug der „braune Bomber“ seinen Kontrahenten nach 124 Sekunden schwer k.o. Freiheit gegen Faschismus, hieß es. Und: Kampf des Jahrhunderts.

Boxen und Kunst – vor allem durch den Journalismus gibt es diese Verbindung seit rund 100 Jahren. In den 1930er Jahren war es Usus, Künstler zu beauftragen, ein Titelblatt zu kreieren. Gemaltes war damals schärfer und präziser als Fotos, außerdem ließ sich so in Farbe drucken.

Die „edle Kunst der Selbstverteidigung“

Ingo Wegerich besitzt, wovon manch Augenpaar träumt. „Doug Fischer, der Chefredakteur des Ring Magazins, hat die Originale noch nie gesehen“, verrät er. Seiner Leidenschaft wegen ist der Jurist in der Boxszene mittlerweile bestens vernetzt. Die Schwergewichts-Champions Tyson Fury und Oleksandr Usyk haben seine Bilder signiert. Der schwerreiche Floyd Mayweather, viele Jahre das Gesicht des Boxsports, ebenfalls. Auf Instagram folgen mehr als 70.000 Menschen Wegerichs Kanal „Fine Art“. Die „edle Kunst der Selbstverteidigung“ als Social-Media-Phänomen.

Wegerich hofft, dass die Box-Kunst angenommen wird – und dass die Ausstellung in Köln erst der Anfang ist. Mit dem altehrwürdigen englischen Fachblatt „Boxing News“, das ebenfalls Kunstwerke als Cover benutzt(e), ist er auf der Suche nach Sponsoren, um die Werke auch in London zu präsentieren. Denn die meiste Zeit hängen die Legenden-Bilder in der Frankfurter Wirtschaftskanzlei, für die Wegerich arbeitet. Ali, Schmeling, Louis, Mayweather, Tyson – in Fluren und Büros, im Dunstkreis von Steuerparagraphen. Wegerich will sie lieber der Welt zeigen.

„Eigentlich müsste man die Bilder in Las Vegas oder New York ausstellen“, sagt er. Ein solches Unterfangen sei finanziell allerdings unheimlich schwer zu realisieren. Einen echten Ali hat Wegerich übrigens auch in seiner Sammlung. Vor ein paar Jahren erwarb er bei einer Auktion eine Skizze, die Muhammad Ali anfertigte, nachdem er zum Islam konvertiert war. Ob die Kritzelei der Box-Legende als Kunst durchgeht? Unerheblich. Ein Dokument der Zeitgeschichte ist sie allemal. Das Boxen hatte schon immer eine Bedeutung, die weit über das Sportliche hinausgeht, hat vielleicht auch deshalb seit jeher Menschen aus dem „Kulturbetrieb“ – Regisseure, Schriftsteller, Künstler – angezogen. In Köln ist diese Symbiose in den kommenden Wochen erlebbar.

Text von Martin Armbruster (zuerst erschienen bei n-tv.de)

Die Sonderausstellung im Deutschen Sport- und Olympiamuseum „Legenden im Ring: Box-Kunst, die umhaut“, läuft noch bis zum 21. April 2024. Weitere Infos gibt es hier.