Lomachenko vs. Kambosos jr. – Rückkehr der Matrix

Auch mit 36 Jahren präsentiert sich Vasiliy Lomachenko angriffslustig. Nach seiner äußerst kontroversen Niederlage gegen Devin Haney will es „Loma“ noch einmal wissen – und kämpft am 12. Mai um die vakante IBF-WM im Leichtgewicht.

Umstritten: Obwohl Vasiliy Lomachenko (l.) die klareren Treffer setzte, werteten alle drei Punktrichter den Kampf im Mai vergangenen Jahres zugunsten von Devin Haney. (Foto: Getty Images / Sarah Stier)

Er ist wieder da: Trotz der knappen Pleite im Mai vergangenen Jahres gegen Undisputed-Champion Devin Haney bekommt Vasiliy Lomachenko die erneute Chance auf einen WM-Shot. Nachdem Haney seine WM-Titel niedergelegt hatte, um ins Superleicht aufzusteigen, wurde unter anderem der IBF-Gürtel vakant, um den nun die beiden Bestplatzierten im Ranking, George Kambosos jr. und Lomachenko, gegeneinander antreten. Dieser Fight konnte umso leichter realisiert werden, da beide Kontrahenten bei Bob Arums Top-Rank-Imperium unter Vertrag stehen und Kambosos jr. vermehrt den Wunsch äußerte, gegen den zweifachen Olympiasieger zu boxen.

Lomachenko (17-3-0, 11 K.o.) gilt trotz dreier Niederlagen in seinem Kampfrekord als Profi (zwei davon äußerst umstritten) noch immer als der vielleicht technisch vielseitigste Kämpfer auf dem Planeten. In jedem Fall gehört der Ex-Champion zu den besten Pound-for-Pound-Boxern der Welt. Zudem gelang Lomachenko das Kunststück, nach nur zwölf Profikämpfen bereits Weltmeister in drei verschiedenen Gewichtsklassen zu sein. Weltrekord!

Darüber hinaus verfügt der ukrainische Southpaw mit Wohnsitz in Camarillo (Kalifornien) über eine Footwork, die ihresgleichen sucht und in dieser Brillanz wahrscheinlich für immer unerreicht bleibt. Zu verdanken hat er dies vor allem seinem Vater und Trainer Anatoly Lomachenko, der das Mastermind hinter Vasiliys großartigen Erfolgen bildet. So hat „Papachenko“ seinen Sohn schon früh zu Samba, Judo und auch Ballett geschickt, um die Beinarbeit auf Perfektion zu schleifen. Durch Jonglieren schärft der „Matrix-Boxer“ zudem seine Hand-Augen-Koordination. Weitere ungewöhnliche Trainingsmethoden bestehen darin, den Atem unter Wasser so lange wie möglich anzuhalten. Auch die Nutzung des sogenannten „Schulte-Table“ gehört dazu – ein Gerät, das aus einem mit Zufallszahlen oder Buchstaben gefüllten Gitter besteht und zur Verbesserung der visuellen Wahrnehmung und des peripheren Sehens dient.

Aussicht auf Top-Duelle

Angesprochen auf den Kambosos-Fight, gab der aus Kalifornien zugeschaltete Lomachenko bei der ersten offiziellen Pressekonferenz zu Protokoll: „Dies ist für mich die nächste Chance, Weltmeister zu werden. Außerdem war ich noch nie in Australien. Ich wollte schon immer mal dorthin. Das ist jetzt die perfekte Möglichkeit!“ Und weiter: „Ich bin einzig und allein auf den 12. Mai fokussiert. Wenn ich erfolgreich bin, denke ich erst danach über meine Pläne nach, Undisputed-Champion zu werden.“ Im Falle des Sieges würden den Matrix-Boxer in der Tat äußerst reizvolle Duelle warten, wie etwa gegen Gervonta Davis oder Shakur Stevenson.

George Kambosos jr. ist jedoch gewillt, Lomachenkos Pläne zu durchkreuzen. Mit einem kleinen Seitenhieb gegen den Favoriten des kommenden Matches teilte der Australier vorab schon mal aus. „Es stimmt zwar, dass ich zweimal gegen Devin Haney verloren habe. Und viele Leute sagen, dass er (Lomachenko; Anm.d.Red.) ihn eigentlich besiegt hat“, erklärte der 30-Jährige. „Aber gegen Teofimo Lopez hatte Loma bereits zuvor eine Chance, Undisputed-Champion zu werden, die er meines Wissens nach nicht genutzt hat.“ Er selbst habe Teofimo Lopez dagegen besiegt. „Vergesst das nicht!“ Unter diesen Vorzeichen darf man sich durchaus auf ein spannendes Match-Up zwischen zwei absoluten Elite-Kämpfern der Leichtgewichtsklasse freuen.

Text von Joachim Schultes