Etinosa Oliha: Siegeszug im Eiltempo

Die Profi-Karriere des 25-jährigen AGON-Boxers Etinosa Oliha kennt bislang nur eine Richtung: nach oben. Wie der IBO-Weltmeister im Mittelgewicht tickt und wie es für ihn weitergeht.

Oliha
Im Kampf gegen Julio Alamos (l.) sichert sich Etinosa Oliha die IBO-Weltmeisterschaft im Mittel. (Foto: Torsten Helmke)

Es ist richtig laut in der Wuppertaler Uni-Halle an diesem Samstagabend im Juli. Dabei hat das Main-Event dieser AGON-Veranstaltung noch gar nicht begonnen. Lokalmatador Vincenzo Gualtieri wird später am Abend um die IBF-WM im Mittelgewicht boxen und gewinnen. Der Mann, der hier die Zuschauer begeistert, ist ein anderer. Immer wieder skandiert das Publikum: „El Chapo! El Chapo!“. Gemeint ist Etinosa Oliha. Auch für den italienischen Mittelgewichtler aus dem AGON-Stall geht es an diesem Abend um einen WM-Titel, den der IBO. Gegner im Ring ist der zu diesem Zeitpunkt noch ungeschlagene Chilene Julio Alamos. Bei AGON ein alter Bekannter. Im Februar besiegte er Björn Schicke in Berlin nach vier Runden durch T.K.o.

Davon ist er in Wuppertal weit entfernt. An diesem Abend boxt Oliha zu stark. Nach ausgeglichenem Start hat der in Asti aufgewachsene Sohn nigerianischer Eltern den Kampf im Griff. Oliha ist klar der Chef im Ring, beherrscht Alamos mit seinen gefährlichen Körper- und Kopfhaken. Die hinterlassen Spuren. Bald bildet sich ein blutender Cut an der Nasenwurzel des Chilenen. Zum Niederschlag kommt es nicht mehr. Am Ende steht ein einstimmiger Punktsieg für „El Chapo“.

Es ist im zweiten Kampf für AGON der zweite Titel, den Etinosa Oliha gewinnt. Zuvor hat er bereits im Februar Rafael Amarillas Ortiz im Duell um den WBO-Intercontinental-Titel im Mittelgewicht besiegt. Wer aber ist dieser Modellathlet, den AGON hier unter Vertrag genommen hat und der seitdem von Erfolg zu Erfolg eilt?

Etinosa Godwin Oliha erblickt am 13. Juni 1998 in Turin das Licht der Welt. Vater und Mutter sind nigerianische Migranten. Etinosa wächst behütet in einer afrikanischen Community auf, besucht italienische Schulen und wird somit europäisch sozialisiert. Mit dem Boxen beginnt er schon früh. Bei den italienischen Jugendmeisterschaften 2014 schafft er es in der Klasse bis 70 Kilogramm ins Finale, wo er dann mit 1:2 gegen Salvatore De Leo das Nachsehen hat. Bei den Erwachsenen ereilt ihn drei Jahre später das Aus in der Klasse bis 75 Kilo schon in der Vorrunde, wo er Andrea Aroni mit 2:3 unterliegt. Nach 59 Kämpfen für seinen Amateurverein Skull Boxe Canavesana, wechselt Etinosa im Alter von 19 Jahren ins Profilager. Damals wie heute betreut ihn sein Amateurtrainer Davide Greguoldo.

Seit vielen Jahren ein Team: Etinosa Oliha und sein Trainer Davide Greguoldo. (Foto: Torsten Helmke)

Von Titel zu Titel

Sein Profi-Debüt im Mai 2018 gewinnt Etinosa. Wie alle seine inzwischen 18 Ringduelle als Preisboxer bis zum heutigen Tag, acht davon vorzeitig. Von Februar 2020 bis Februar 2022 trägt er den Titel des italienischen Meisters im Mittelgewicht. Für seinen Kampf um den Titel des „Mediterranean Champion“ der IBO am 10. Juli 2022 – Sieg gegen Sofiane Khati durch Abbruch in der 5. Runde – bereitet er sich im AGON-Gym vor. Ein schicksalhafter Moment für seine weitere Karriere – auch wenn es anfangs gar nicht danach aussieht.

Durch seine Sparrings-Leistungen zieht er die Aufmerksamkeit von AGON-Promoter Ingo Volckmann und Sportchef Peter Strickrodt auf sich. Der erinnert sich noch gut, wie sie seinerzeit den jungen Etinosa kennengelernt haben: „Wir haben relativ häufig Kontakt mit Italien, mit italienischen Boxern und laden sie häufig zu uns ein. So hatten wir Etinosa zum Sparring bei uns und wollten ihn gern unter Vertrag nehmen. Doch dann bekamen wir es mit einem Matchmaker und Manager zu tun. Der wollte ihn eigentlich nicht freigeben. Stattdessen wollte er, dass alles über ihn läuft. Aber wer uns kennt, weiß, dass wir das nicht machen. Deshalb haben wir die Gespräche bald abgebrochen.“

Und trotzdem unterschreibt Etinosa im Dezember 2022 bei den Berlinern. Woher dieser Sinneswandel? „Kurz nachdem wir die Verhandlungen abgebrochen hatten, meldete sich Etinosa persönlich“, erinnert sich Peter Strickrodt. „Und das war das Faszinierende: Etinosa hat seine Karriere selbst in die Hand genommen und sich nicht hinter einem Manager versteckt.“ Die Tinte unter dem Vertrag ist noch nicht trocken, da geht es für den Italiener bei seinem Stall-Debüt am 24. Februar 2023 gleich um den WBO-Intercontinental-Titel. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Perfekter Schwiegersohn

Aber was für ein Typ ist der Italiener mit afrikanischen Wurzeln eigentlich? „Als Boxer bringt er ein Allround-Paket mit“, erklärt Peter Strickrodt. „Er verfügt über eine hohe Grundintelligenz, hat eine sorgfältige Amateurausbildung. Er ist mehrsprachig, spricht perfekt Englisch, natürlich super Italienisch ohne jeden Akzent, und dann spricht er noch die Muttersprache seiner Eltern. Und vor allen Dingen ist er gerade mal 25 Jahre alt und hat seine ganze Karriere noch vor sich. Darüber hinaus ist er menschlich ein absolut feiner Typ, einfach ein toller Mensch. Den wünscht man sich als Schwiegersohn“, so der AGON-Sportchef.

Sportlich will man den Shooting-Star bei AGON behutsam weiter aufbauen. „Wir werden ihn nicht verheizen. Geplant ist, dass er im November in Gütersloh/ Riedberg seinen Titel verteidigt. Dafür wollen wir natürlich auch mit RAI, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Italiens, ins Gespräch kommen, um die erste Titelverteidigung in Etinosas Heimat zu übertragen.“

Text: Andreas Ohlberger

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